Bildung und Ehrenamt zentral für Integration

In der Flüchtlingsdebatte wird viel über die Menschen diskutiert, die zu uns gekommen sind. Wir wollen nicht über, sondern mit den Menschen reden. Auf der Veranstaltung „Angekommen und geblieben“ Ende November haben wir drei Männer und eine junge Frau eingeladen, über ihre Erfahrungen zu berichten. Darüber hinaus haben wir mit Timor Bozkir, Leiter des kommunalen Integrationszentrums der StädteRegion über integrationsfördernde- und hindernde Faktoren gesprochen.

Sicherheit steht an erster Stelle

Egal woher die Menschen fliehen, der Sicherheitsaspekt steht an erster Stelle. Mac aus Ghana, wurde in seiner Heimat politisch verfolgt und ist deshalb 1987 über die Elfenbeinküste und Frankreich nach Deutschland gekommen. Als Angekommener fühlte er sich damals wie ein krimineller, war viel allein. Damals gab es noch nicht so eine große Unterstützung wie heute. Es gab img_20161122_191344keine Deutschkurse und niemand sagte ihm, wo er den Asylantrag stellen kann.

Dilgesh, ist 32 und kommt aus Syrien. Er ist Ende 2014 über Bulgarien nach Deutschland gekommen. Für ihn war Deutschland eine ganz neue Erfahrung. Er kannte die Kultur und die Sprache nicht. Besondere Schwierigkeiten hatte er mit dem Aachener Bussystem. Durch ehrenamtliche Unterstützung hat er hier schnell ein neues Zuhause gefunden.

Die 21 jährige Alesia aus Albanien ist ebenfalls Ende 2014 mit ihrer Familie in einem Bus nach Deutschland gekommen. Ihre Ankunft in Deutschland war ernüchternd. Das erste Flüchtlingscamp war richtig schlimm. In Aachen wurde der Familie dann eine Wohnung zugewiesen. Ihr gefallen besonders gut die Schulen, die Gesetze und die Möglichkeit zu studieren. Die Menschen empfindet sie eher distanziert, der Umgang ist ihr Anfangs schwer gefallen. Wenn sie mit der Schule fertig ist, muss sie zurück nach Albanien. Eigentlich würde sie aber viel lieber in Deutschland Jura studieren.

Abdel Sur aus Afghanistan ist 18 Jahre alt und lebt seit rund drei Jahren in Deutschland. Er hat für die Schlepper 18.000 Euro bezahlt, um ursprünglich nach Schweden zu kommen. Dann wurde er im Zug aufgegriffen und landete in Aachen. Jetzt macht er gerade seinen Realschulabschluss. Zukünftig möchte er im Gesundheitsbereich arbeiten. An Deutschland findet er gut, dass man hier alles erreichen kann. Schwierig findet er die deutsche Sprache. Er möchte seine Ausbildung zu Ende machen, einen Job haben und dann ein schönes Leben leben.

Für alle Erzählenden ist die Frage zentral: Kann ich hier in Deutschland bleiben?

Aufenthaltsrechtliche Sicherheit

Viele Familien in Aachen schweben in der Duldung. Das Ausländeramt hat die Vereinbarung geäußert, nicht abzuschieben, solange Kinder die Schule besuchen. Wird jedoch die Schule beendet, kann die gesamte Familie abgeschoben werden. "Hier besteht seitens der StädteRegion Handlungsbedarf," kritisiert Elisabeth Paul, stellv. Städteregionsrätin. "Der unsichere Aufenthaltsstatus behindert die Motivation sich zu integrieren. Oftmals kommen weitere aufenthaltsrechtliche Hindernisse hinzu, z.B. die Forderung der Deutschen Botschaft, einen neuen Pass im Herkunftsland zu beantragen."

Bildung als zentrales Instrument der Integration

Als 2015 viele vor allem unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach Aachen kamen wurden schnell und unbürokratisch internationale Förderklassen geschaffen. Mittlerweile sind es rund 70 in der Städteregion. Doch nach wie vor fehlen Alphabetisierungskurse.

Karin Schmitt-Promny MdB: "Wir müssen weg von der Erstversorgung hin zu einer langfristigen Integrationsplanung. Die Bildung hängt noch zu sehr von der Herkunft ab. Gerade SchülerInnen müssen in dieser Phase der Integration unterstützt werden, auch durch das Ehrenamt."

Möglichkeiten und Grenzen des Ehrenamtes

Das Ankommen in der Gesellschaft kann nur durch Austausch mit dieser erfolgen. Das passiert wiederum nur über Kontakt, was hauptsächlich über das Ehrenamt zustande kommt. Die Empathie des Ehrenamtes überträgt sich auf andere und fördert damit das Zusammenleben. Karin Schmitt-Promny, MdB hob die positive Rolle des Ehrenamtes hervor: "Die EhrenamtlerInnen sind das Scharnier in unserer Gesellschaft auch gegen rechtes Gedankengut. Alltagsrassismus ist ein Problem in unserer Gesellschaft. EhrenamtlerInnen tragen einen wichtigen Teil dazu bei, dass die Menschen die zu uns kamen nicht fremd sind, sondern sich Integration entwickeln kann. Vorurteile können nur über Kontakt abgebaut werden."

Neben der Vorbildfunktion ist das Ehrenamt aber auch von Überehrgeiz getrieben. Timor Bozkir, Leiter des Kommunalen Integrationszentrums der Städteregion erzählt von Beschwerdebriefen von Ehrenamtlern, weil IHREM Flüchtling nicht bevorzugt einen Schulplatz zugewiesen wurde. Das sei zu ambitioniert und binde zu viele Ressourcen der Verwaltungsarbeit, die an anderer Stelle benötigt würden. Es kommt auf eine gute Kommunikation zwischen Profis, Ehrenamtlern und den Flüchtlingen an. Geduld, hinhören und Bereitschaft zur Kommunikation. Auch müsse das Ehrenamt noch stärker eingebunden werden als bisher.

Heidi Baumsteiger, Ehrenamtskoordinatorin bei der Caritas appelliert an die deutschen EhrenamtlerInnen: Mehr den Menschen zu sehen und nicht mehr nur den Hilfesuchenden. Sie bewundert zwar die Euphorie der Willkommenskultur von damals, andererseits machte ihr das auch Angst. „Die damalige Versorgung der Grundbedürfnisse hat gut gepasst. Ganz arme Menschen die unbedingt unsere Hilfe brauchen. Ein Jahr weiter identifizieren sich die Menschen nicht mehr alleine durch Hilfsbedürftigkeit. Heute haben die Menschen einen Weg zurückgelegt, die Menschen wissen was sie möchten: Schule, Ausbildung, Familie. Ähnliche Wünsche wie wir. Menschliche Wünsche, die verbinden. Aber es gibt auch eine große Gruppe an abgehängten Menschen, die sich nicht auf den Weg machen konnten bzw. die wieder zurückgehen, weil sie abgehängt sind. Wir dürfen die Menschen die hier angekommen nicht mit Erwartungen überfrachten. Wie kann man unterstützen ohne zu überfordern? Wie kann man selbst etwas tun? Wie kann man im Gespräch und im Austausch bleiben."

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